Sachsens Landtag wählt Vizepräsidenten von der AfD

Auch LINKE-Politikerin unter den Stellvertretern von CDU-Landtagspräsident Matthias Rößler / Sondersitzung noch im Oktober möglich

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Sachsens neuer Landtag hat einen Vizepräsidenten von der AfD. Der Berufssoldat André Wendt wurde in das Amt gewählt - allerdings erst im dritten Wahlgang, in dem die einfache Mehrheit reichte. Er erhielt 50 Stimmen, zwölf mehr, als seine Fraktion Mitglieder stellt. Die Personalie war durchaus umstritten. Wendt hatte etwa Anfang 2017 mit einer Kleinen Anfrage im Landtag für Empörung gesorgt, in der es um Kosten für eine Sterilisation minderjähriger Flüchtlinge ging. Allerdings hieß es vorab aus anderen Fraktionen auch, man wolle die AfD nicht mit »Geschäftsordnungstricks« um ihr zustehende Rechte bringen. Als größte Oppositionsfraktion hat sie das Vorschlagsrecht für einen Landtagsvize.

Den nach fünf Jahren wieder eingeführten Posten der dritten Stellvertreterin besetzt eine Abgeordnete der LINKEN. Luise Neuhaus-Wartenberg wurde ebenfalls in Runde drei mit 58 Stimmen gewählt. Die erklärte Befürworterin von R2G erhielt dabei Zuspruch auch jenseits von Mitte-links; LINKE, Grüne und SPD stellen nur 36 Abgeordnete. In den beiden ersten Durchgängen hatte sie wie Wendt die erforderliche absolute Mehrheit von 60 Stimmen verfehlt.

Problemlos war zuvor die Wahl von Matthias Rößler zum Landtagspräsidenten verlaufen. Der CDU-Politiker, der das Amt seit 2009 innehat, erhielt im ersten Wahlgang 87 Stimmen und damit auch mindestens 20 aus der Opposition. CDU, Grüne und SPD, die derzeit über eine Koalition verhandeln, verfügen in Summe über 67 Sitze im Landtag. Rößler, der im Wahlkampf durch die Einladung von Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen auch in der eigenen Partei für Ärger gesorgt hatte, wurde im Anschluss von der AfD bescheinigt, er sei »einer der letzten Konservativen« in einer sächsischen CDU, die von Ministerpräsident Michael Kretschmer »stramm auf Linkskurs« gebracht worden sei. CDU-Frau Andrea Dombois, die sich fraktionsintern erfolglos als neue Präsidentin beworben hatte, wurde mit 90 Stimmen als erste Stellvertreterin gewählt.

Vor der Wahl des Präsidiums hatte sich der Landtag eine neue Geschäftsordnung gegeben. Dafür hatten sich CDU, Grüne und SPD auf mehrere Neuerungen verständigt. So soll die Möglichkeit zur Befragung von Ministern auch auf den Ministerpräsidenten ausgedehnt werden, der sich mindestens einmal jährlich den Fragen der Abgeordneten stellen muss. Bei Themen, die nicht im Plenum behandelt werden, soll die Befassung in den Ausschüssen öffentlich erfolgen. Valentin Lippmann, der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, sagte, man habe die »erste Gewalt spürbar gestärkt«. Stephan Meyer, sein Amtskollege von der CDU, sagte, das Parlament solle »für die Bürger interessanter« werden.

Dagegen erklärte die LINKE, trotz einiger positiver Regelungen sei das Regularium »nicht der große parlamentarische Wurf«. Zudem sei bis auf die auch von den Grünen gewünschte Regelung, wonach etwa der Ausländerbeauftragte und der Präsident des Rechnungshofes künftig im Parlament reden dürfen, bei der Ausarbeitung der Geschäftsordnung kein Vorschlag der LINKEN berücksichtigt worden, klagte die parlamentarische Geschäftsführerin Sarah Buddeberg. Die AfD versuchte erfolglos, den Beschluss des Regelwerks zu vertagen, weil es zu kurzfristig vorgelegt worden sei. Ihr Abgeordneter André Barth verwahrte sich auch gegen die Wiedereinführung des dritten Vizepräsidentenpostens, verwies auf die Kosten und mutmaßte, der LINKEN solle mit dem Amt die Zustimmung zu eventuellen Änderungen der Verfassung schmackhaft gemacht werden. Mit Blick auf die Bezeichnung des neuen Regierungsbündnisses als »Kenia-Koalition« beschwor er »afrikanische Verhältnisse«. Lippmann warf der AfD eine »Neiddebatte« vor; Meyer sagte, mit dem Kostenargument könne man auch den von der AfD besetzten Vizeposten abschaffen. Man wolle, dass beide Oppositionsparteien im Präsidium vertreten seien.

Nach der Konstituierung hätte sich der Landtag zunächst in eine längere Pause verabschieden sollen. Weil CDU, Grüne und SPD vermutlich noch bis Jahresende über die Regierungsbildung verhandeln dürften, war die nächste Sitzung erst für Dezember in Aussicht gestellt. Nun aber dürfte es noch im Oktober eine Sondersitzung geben. Einziges Thema: ein Antrag der AfD auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Dieser soll die vermeintliche »Einflussnahme« von Mitgliedern der Regierung auf die Kürzung der AfD-Landesliste untersuchen. Sie war wegen schwerer Fehler im Aufstellungsverfahren vom Wahlausschuss von 61 auf 18 Plätze gekürzt worden; das Verfassungsgericht ließ 31 Listenkandidaten zu. In der Folge kann die AfD dennoch eines der ihr laut Wahlergebnis zustehenden 39 Mandate nicht besetzen.

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